Ökosaeder – Modulare Häuser um schön & einfach zu leben

Modulare Ikosaeder-Häuser sind mein neues Projekt – das aktuelle Ergebnis meiner Überlegungen, für ein visionäres, ressourcenschonendes Haus einer enkeltauglichen Zukunft nach einem optimalen Schnittpunkt zu suchen zwischen den folgenden Anforderungen:

  • möglichst ökologisch (d.h. natürliche, regionale, recyclebare Baustoffe, einfache Reparatur)
  • möglichst einfach (Selbstaufbau, keine Spezialwerkzeuge, Aufbau unkompliziert zu verstehen)
  • möglichst ökonomisch (auch für Leute, bei denen Geld keine Lebens-Priorität ist)
  • möglichst effizient (bei Bedarf winterfest, isoliert, langfristig haltbar)
  • möglichst ästhetisch (ressourcenschonend Leben heißt nicht zurück in die Steinzeit, Schönheit und Geborgenheit ist ein wichtiger Teil von Lebensqualität)
  • möglichst flexibel (zerlegbar, platzsparend transportierbar, je nach Bedarf sind alle modularen Einzelelemente nach den jeweiligen Bedürfnissen vor Ort re-kombinierbar und austauschbar)

Zunächst – Was ist eigentlich ein Ikosaeder? Es handelt sich um den „platonischen Körper“, der der Kugel am nächsten kommt. Platonische Körper haben die spezielle Eigenschaft, geometrisch aus lauter identischen Teilen zu bestehen. „Iko“ bedeutet „zwanzig“ auf griechisch – der Ikosaeder setzt sich aus 20 gleichseitigen Dreiecken zusammen.

27-Dome

Er ist übrigens mathematisch die Urform aller Domes – in jedem Dome entsprechen die Fünfecke den Ecken eines Ikosaeders. Über mein Domebau-Projekt 2009  kam ich mit den interessanten Eigenschaften dieser Form erst in Kontakt. Domes sind schön, aber technisch schwer als isoliertes, zuverlässig regendichtes Wohngebäude für unser Klima umzusetzen.

Fangen wir also erstmal mit der einfachsten Form an…

 

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Der Ikosaeder ist eine der effizientesten Formen, mit wenig Material möglichst viel Nutzraum auf äußerst stabile Art zu umbauen. Das Oberfläche/Volumen-Verhältnis (A/V) liegt am nächsten an dem der Kugel, dem Optimum. (Quader: 6, Ikosaeder 5,1, Kugel: 4,8).
Rechts ein Strohhalm-Modell (die untere Pyramide ist hier bereits weggelassen, hier befindet sich beim Ökosaeder der Boden.)

Attraktiv an einem Wohnkörper in in Ikosaederform waren für mich die folgenden Grundüberlegungen:

  • Jeder Material – und späterer Energieeinsatz zum Heizen wird schon konzeptionell wegen der Form effizienter genutzt als bei herkömmlichen Bauformen. Pro Kubikmeter Nutzraum werden also weniger natürliche Ressourcen für die Wandkonstruktion verbraucht. (Beispiel: Gegenüber einem Kubus mit gleichem Volumen benötigt ein Ikosaeder 22,5% weniger Wandfläche.)
  • Ein Baukörper aus Dreiecken ist statisch extrem stabil, das heißt, man kann mit leichterem Material die gewünschte Stabilität erreichen.
  • Lauter gleiche Teile erlauben eine sehr effiziente und preisgünstige Herstellung. Plant man die Module von Größe und Gewicht in einem menschlichen Maß, können sie bequem in der Werkstatt mit geeigneten Hilfsmitteln (vor-)gefertigt werden. Die fertigen Module werden dann auf dem Bauplatz zum Wohngebäude zusammengesetzt. Das kann wegen der guten Handhabbarkeit auch durch die Bewohner selbst geschehen.
  • Module erlauben eine freie (Um-)Gestaltung des Wohnkörpers und ebenso eine leichte Reparatur durch seine Benutzer, die Anzahl und die Plazierung von Fenstern kann etwa der Landschaft und den Erfordernissen der Bewohner angepasst werden.
  • Geplant sind isolierte Wandmodule, leichte, isolierte Dachmodule inkl. Deckung, Fensterdreiecke, Module mit Dachbegrünung, mit eingebauter Photovoltaik, Solarthermie und Wandheizungsmodule, Module mit fertig eingebauter Elektroinstallation…
  • Auf der sozialen und psychologischen Ebene gefällt mir, daß runde und kuppelförmige Bauten eine spezielle Geborgenheit ausstrahlen und ein Zusammenkommen im Kreis unterstützen – einem sozialen Urbedürfnis des Menschen, das heute oft zu kurz kommt.

 

01-zeichnungen

Links: Ikosaeder Traggerüst, rechts (schematisch): Wände und Dach aus Modulen zusammengesetzt. Unten: Entwurf eines Traggerüstes für den Boden.

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Modell, gebaut mit dem Zometool-Baukasten

Nach einem Winter, in dem ich viele Zeichnungen und Berechnungen gemacht, Materialien recherchiert, Modelle gebaut und an Umsetzungsdetails getüftelt habe, liegen jetzt im Juli 2015 die ersten Schritte der Verwirklichung hinter uns – auch Dank der großzügigen und ausdauernden Mitarbeit von Robin Garms für 2 schöne Wochen! Das Konzept funktioniert tatsächlich, und die ersten Probeaufbauten sehen vielversprechend aus.

Wir bauen zunächst einen ersten Prototyp mit 10 qm Bodenfläche, Durchmesser 3,80, Wandhöhe 2,10m, Innenhöhe 3,3m. Die identischen Dreiecksmodule, die mit Sperrholz, Fermazell (Gipsplatten), Glas oder anderen Materialien gefüllt werden, haben eine Seitenlänge von 1,21 m und werden mit losen Federn und eingesägten Nuten untereinander und mit den umfassenden Ikosaeder-Dreiecksrahmen verbunden.

Hier ein paar Bilder vom aktuellen Stand:

05-fingerzinkenFingerverzinkung für eine optimale Stabilität der Module
06-ein-modulMartin Garms mit einem Wand-Modul, hier gefüllt mit Fermazell
07-robin-4dreieckeRobin präsentiert die ersten drei fertigen Module. Sie ergeben die Füllung eines Ikosaeder-Dreieckes von den insgesamt benötigten 15.
08-ganzes-dreieckDrei Module, hier noch ohne Füllung, eingebaut in das umfassende Ikosaeder-Dreieck.
09-verbindungen
10-dreicksvorrat
11-die-werklerGaragen-Fertigung mit selbstgebauten Produktionshilfsmitteln…
12-testaufbauProbeaufbau mit 6 von 15 Dreiecken
13-testaufbau

14-iko-im-gruenen

Update Oktober 2015

Dieser heiße Sommer war reise-reich und dieser Herbst voller schöner Farben recht arbeitsreich – erst Mitte Oktober finde ich Gelegenheit, weiterzubauen. Leider macht der nahende Winter es ungewiss, wie lange ich überhaupt draußen noch werkeln kann. Die Begeisterung ist aber ungebrochen.
Ich wende mich dem Boden zu, der aus geometrischen Gründen 2 andere Modulformen braucht als Wände und Dach.

Bodendreiecke-Stapel

Das hier sind die 15 Dreiecke, die den Boden tragen werden …

Martin im Boden-500px

und so werden sie später zusammengesetzt.

Die Fächer werden mit Hanf/Jute-Isolierung gefüllt und bekommen als Deckel einen schönen Holz-Dielenboden.

Es ist schon anspruchsvoll, alle Details selbst neu zu entwickeln, und Hindernisse auf dem Weg zu überwinden, wie zum Beispiel den sehr spitzen Winkel an den Ecken mit einer Kreissäge zu fertigen, die nur 5 cm Schnitttiefe hat. Auf dem Weg in die greifbare Wirklichkeit sind nunmal Kompromisse unumgänglich. Der geometrischen Grundidee versuche ich aber erstmal konsequent treu zu bleiben.

Um wieviel leichter ist das visionäre Konstruieren doch mit meinem Zometool-Baukasten – bequem auf dem Boden im warmen Zimmer. Neulich erschien die Idee einer „Sternwohnung“ aus 5 um einen Stern angeordneten Ikosaedern vor meinem inneren Auge: Unten wäre Süden, in der Mitte bildet sich ein von den Einzelräumen umschlossenener kleiner Begegnungs-Hof, der auch mit Glasdreiecken überdacht oder winters geschlossen werden könnte. Ein Modell für eine Studenten-WG oder einen Familie? Auf Wunsch können leicht zwei  Ökosaeder miteinander zu einem großen Wohnzimmer verbunden werden.

Sternwohnung-klein

Aufsicht Sternwohnung

Sternwohnung-schraeg-600px

Ökosaeder-Sternwohnung Süd 600px

Im unteren Stockwerk wäre Platz für Werkstatt, Cafe, Laden, Terrasse, Fahrräder oder Garage. Die Materialkosten für den ganzen 5-Raum-Baukörper liegen etwa in der Region eines gehobenen Mittelklassewagens.
Würde man doch nicht in dem Land mit den restriktivsten Baubestimmungen der Welt wohnen … mir gehen  seit Wochen die frierenden Flüchtlinge nicht aus Herz &  Kopf … ich wünschte manchmal, ich wäre schon weiter.

Strandgedanken zum Kugelwohnplatz

Ich ertappe mich dabei, auf den weiten Meeresspiegel hinauszusehen und mir dabei klar zu machen, dass dieser Brandung hier, 10000 km entfernt, eine andere entspricht, die im rechten Winkel zu dieser brandet, jetzt, ganz real, z.B. irgendwo in Indien.

Welle …

Ich versuche mit meinem Geist die gewaltige Größe dieses Kugelwohnplatzes zu umfassen. Ich spüre förmlich, wie wir rundherum wuselnd an seiner Oberfläche kleben und ihren Mutter-Körper so selbstverständlich für „unten“ halten.

Dass wir eine apfelschalen-dünne, organische Schicht bewohnen, darunter glühendes Gestein, darüber lichtjahreweit Weltraumkälte, ein Biofilm, ein pures, lebendiges Wunder, wir wissen vieles darüber, aber wir spüren es nicht in unseren Seelen.
Wir reißen die in hundertausenden Jahren sanft und geduldig aus Blatt- und Farngrün entstandene, als Kohle und Öl verkörperte Sonnenstrahlenenergie aus der Erde, verbrennen alles – rücksichtslos und ahnungslos wie zündelnde Kinder – fast explosionsartig in wenigen Jahrzehnten in unseren röhrenden Motoren und Turbinen und entlassen die Abfallprodukte in unsere kostbare, einzige, begrenzte  Apfelschalen-Lebenswelt.

Welle …
Welle …

Unser Wirtschaftssystem des immerwährenden Wachstums ist auf den Prinzipien des Eigennutzes als Antrieb, und der Aneignung von natürlichen Resourcen erbaut. Erhält diese Kraft zuviel Raum, entsteht unpersönliche, alle Folgen für andere ignorierende Gier. Der Treibstoff der Megamaschine. Gier ganz nüchtern und nichtmoralisch betrachtet ist, wenn man als mehr von der Welt nimmt, als einem als organischem Teil eines Ganzen zusteht. 

Welle …

Würde nicht jeder von uns sofort bestreiten, dass er diese Eigenschaft lebt, und darauf hinweisen, daß er/sie als eizelne/r sowieso nichts ändern kann, und vielleicht auf andere zeigen, die es weit schlimmer treiben?
Was aber, wenn unsere ganze soziale, technische, monetäre Lebensumwelt so organisiert ist, dass sie systemisch genau dieses Zuviel (für die Erde, unsere Mitmenschen) zur Folge hat, haben muss? 
Wir leben in einer Zeit, in der einer immer größeren Zahl von uns dieses seit einigen dutzend Jahrzehnten gelebte Übermaß langsam kollektiv bewusst wird. Kundige drücken es so aus, dass wir – gemessen an der Tragfähigkeit und Regenerationskraft unserer Biospäre – aktuell schon dabei sind, die zweite Hälfte eines zweiten Erdplaneten anzubrechen, obwohl wir real nur diesen  einzigen haben. 

Welle …

Aber wieweit kann man von einem Einzelmenschen verlangen, dass er – infolge gedanklicher Analyse und/oder seelischer Betroffenheit – völlig anders handeln soll, als seine gesamte soziale Umwelt, in die er hineingeboren wurde und von der er abhängig ist, die ihm den Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten vorgibt? 

Welle …

Wir sind so so abhängig voneinander! 
Schau Dich probeweise einmal bewusst um an dem Ort, an dem Du dich gerade befindest, und überlege, welche der Dinge, die Du an Dir und um Dich herum siehst von Dir selbst hergestellt wurden, und welche von hunderten anderen Menschen, in ausgeklügelter, geldvermittelter Arbeitsteilung rund um die Welt. 
Das ist technische Verbundenheit ohne persönliche Verbundenheit.
Für welche Dinge davon hättest Du zumindest theoretisch die nötigen Kenntnisse, sie herzustellen? 
Wenige bis keine? 
Das meine ich mit Abhängigkeit.

Welle…

Was tun??

Ein Planet und seine „Verbraucher“

Wir nennen uns „Verbraucher“ – denn während wir leben, verbrauchen wir Dinge. Tagtäglich. Dinge, die wir aus dem Material dieses Planeten mithilfe unserer selbstausgedachten Maschinen und menschlichem Beitrag, Arbeit genannt, her-stellen.

Wir „verbrauchen“ unseren Planeten, der uns in Jahrmillionen hat auf sich wachsen lassen, innerhalb von Jahrhunderten. Weil die Evolution uns klug und mechanisch geschickt gemacht hat. Weil wir gierig nach Genuss sind. Und mit strategischer Intelligenz begabt. Beschränkter Intelligenz allerdings, gemessen etwa an sozial höherentwickelten Spezies wie z.B Ameisen, die uns auf diesem Planeten um das mehrfache an Biomasse übertreffen (von der Zahl gar nicht zu sprechen), aber im Gegensatz zu uns schon Millionen von Jahren hier erfolgreich und so nachhaltig leben, dass der Planet sogar von Ihrem Dasein profitiert.

Unsere geschwindigkeitsverliebte Spezies benutzt für ihre Entscheidungen zwar überaus klug konstruiertes Werkzeug, dessen Hochgeschwindigkeit massenhafter logischer Ja/Nein Entscheidungen schon in Mega-Hertz gemessen werden muss, ist aber bemerkenswert schnell überfordert bei interdependenten Sachverhalten, die mehr als zwei dynamische Variablen zur Beschreibung benötigen. Ganz schwierig wird es bei Netzwerken von Zusammenhängen, bei denen sich hunderte oder tausende von Variablen gegenseitig beeinflussen, wie leider bei fast allem, was für Menschen wirklich wichtig ist. Als da etwa wären: Natur, Gesundheit, Politik, unser eigener Geist, die Gesellschaft – vielleicht auch die Liebe?

Wir sind immerhin auch mit Mitgefühl begabt, und spüren eigentlich genau, dass etwas mit unserer Lebensweise nicht stimmt. Wir haben ein kollektiv schlechtes Gewissen. Wir verstehen, dass wir so nicht weitermachen dürfen, aber auch, dass wir zu klein sind, um etwas zu ändern. Es wirkt so nutzlos, wenn nur einer anders handelt!

In Wirklichkeit sind wir einfach kollektiv süchtig! Eine globale Vereinigung der anonymen Worko- & Konsumoholiker sozusagen! Ist Sucht nicht ein nach Glück suchendes Verhalten, dass in Wirklichkeit selbstzerstörerisch ist, dennoch fortgesetzt wird und davon gekennzeichnet ist, nach anfänglichem Genuss ständig die Dosis erhöhen zu müssen, um auch nur leidensfrei zu bleiben?

Wir haben es geschafft, innerhalb einiger Jahrhunderte eine technische und gesellschaftliche Infrastruktur aufzubauen, die es vielen von uns ermöglicht, mit einem historischen Minimum eigener Mühe oder Wissen zehntausende Dinge zu besitzen und täglich zu ge- und „verbrauchen“.
Wir haben Unmengen früher notwendiger, harter Arbeit überflüssig gemacht! Nun versuchen wir, mit aller Kraft aus diesem Besitz und Verbrauch Glück zu schöpfen – wer sich mit offenen Augen umsieht, findet leider eine Menge Hinweise, dass dies nicht so recht klappen will – aber uns ist kollektiv trotz eifriger Experimente einfach noch keine bessere Lösung eingefallen. „Arbeit“ nennen wir heute unseren Micro-Beitrag zu der der großen Dinge-Erzeugungsmaschine, „Geld“ unsere Tausch-Gutschrift um unseren Anteil ihrer Früchte be-sitzen und ver-brauchen zu dürfen.

Wir haben kollektiv mal einen Zeitlang versucht, dass einfach alles allen gehört, aber es hat nicht geklappt – keiner hatte mehr Lust, etwas Schwieriges zu tun, wenn alle anderen mitprofitieren. Selbst mit diktatorischem Zwang zum „freiwilligen“ Abgeben, Umerziehungslagern, Geheimdiensten und Reise- und Denkverboten klappte es nicht. Etwas in der menschlichen Natur braucht leider, leider den direkten Eigenutz als Antrieb.

Also Kapitalismus

Das klappt schon besser – der Vor- und Antrieb funktioniert immerhin. Leider ein entscheidendes Kennzeichen dieses Systems: Bestimmte Menschen, die sich der Mechnismen der schwer durchblickbaren Wirtschaftmaschine auf besonders kluge Weise zu bedienen gelernt haben, bekommen Tausch-Gutschriften (Miete, Zinsen und Dividenden), ohne zu arbeiten! Oft sogar besonders viel. Diese Anteile müssen natürlich andere erarbeiten – nichts entsteht ja von selbst. Damit das auch weiterhin funktioniert, und auch zukünftig noch Spass macht, muss jedes Jahr mehr hergestellt werden, denn Genuss verfliegt leider schnell, besonders, wenn man nicht dafür gearbeitet hat!
So entsteht der suchtartige Zwang zum immer mehr…

(siehe auch diesen Stern-Artikel: „Zum Wachstum verdammt“)

Schnell entstand an der durch die Aufräumarbeiten der Aufklärung  verwaisten Stelle ein neuer, etwas eigenwilliger Gott: das Wirtschaftswachstum, das, lebenswichtig und unsichtbar, sich von einer mysteriösen Größe nährt, die man Konjunktur nennt: Niemand versteht so ganz genau, worum es sich handelt, aber es muss sich um eine Art schlecht konstruierten Verbrennungsmotor handeln (Motoren liegen unserer Spezies irgendwie im Blut) – er stottert seit seiner Erfindung und Installation als Herz unserer Gesellschaft in regelmäßigen Abständen und muss dann mit besondere Anstrengungen „angekurbelt“ werden (eine Art schamanischer Beschwörungstechnik).
Er läuft seinem Mythos zufolge nur dann dauerhaft, wenn er jedes Jahr schneller läuft und mehr Treibstoff verschlingt – wahrlich ein Glaube, den nur eine hochentwickelte menschliche Intelligenz erschaffen konnte! Investitionen in soziale oder ökologisch wertvolle, aber ansonsten „unproduktive“ Gesellschaftsbereiche (oder auch nur Verhandlungen darüber) sind Gift für seine Laufruhe und würgen ihn in Windeseile ab. Es ist in der Tat ein sensibler und eifersüchtiger Gott – an seinem Altar müssen regelmäßig  sekundäre, veraltete Werte wie Gesundheit, Bildung, intakte Natur, Familie, innerer und äußerer Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit niederknien und schmerzhafte Opfer durch Selbstbeschneidung bringen, sonst droht er sofort an Umdrehungszahlen zu verlieren – und damit unser aller Existenz zu gefährden.

Es ist faszinierend und deprimierend, wir glauben trotz aller uns selbst zugeschriebener Intelligenz als Homo sapiens sapiens verzweifelt an die Alternativlosigkeit dieses Systems, das  erzeugen soll, was wir zum einem guten Leben brauchen, und uns in der gelebten Realität stattdessen atemlos, gestresst und voller Unfrieden und Angst zurücklässt. Seit dem ökologischen Bewusstseinswandel noch ergänzt durch das Schuldbewusstsein, unseren Wohnplatz im Universum für uns und unsere Kinder sehenden Auges unbewohnbar zu machen.

Wir haben dieses System geschaffen, optimieren und reparieren es mit Hingabe, viel Geld, Zeit  und Aufmerksamkeit, opfern ihm unser halbes oder ganzes Leben, aber wir verstehen nicht, warum es einfach nicht funktioniert? Vielleicht suchen wir den Fehler an der falschen Stelle?

Ein wichtiger Grund, weshalb wir einen Überblick, der uns befreien könnte, nicht gewinnen, ist unsere Neigung, im Netzwerk des Geschehens Schuldige zu suchen und zu finden. Um diese dann mit Verve anzuklagen – und in der Folge untätig bleiben zu können – schließlich liegt es ja an denen da! 
Das funktioniert in alle beliebigen Richtungen: Für den Steine werfenden Autonomen ist es der Staat, vertreten durch die Polizei. Für die Linken sind es die Rechten und umgekehrt. Für den Unternehmer ist es der Staat, vertreten duch den Finanzbeamten oder die Politiker. Oder die Gewerkschafter, die die Arbeitenden vertreten. Für die Politiker sind es die unverantwortlichen Unternehmer. Für den Verbraucher sind es die anonymen Großkonzerne, die die Umwelt verschmutzen. Für die Autoindustrie ist es der Verbraucher, der keine Ökoautos nachfragt. Für die Philosophen der mediale Ungeist. Für die einfachen Gemüter die Großkopferten da oben. Wie gesagt, 2 Variablen schaffen wir im allgemeinen.
Kaum jemandem gelingt es, zwei Schritte zurückzutreten, um das ganze Bild, die Verknüpfungen und Abhängigkeiten in den Blick zu nehmen.

Jeder dreht so mit beschränkter Perspektive und Haftung nach Kräften an den Stellschrauben, die aufgrund seiner sozialen Position für ihn sichtbar und erreichbar sind, und aus der Summe der Kräfte, mit denen er seinen persönlichen Vorteil sucht, entsteht und lebt, unterbrochen von gelegentlichen katastrophalen Zusammenbrüchen wie Kriegen und Wirtschaftskrisen (warum nur?), unsere aktuelle Gesellschafts- und Wirtschaftsform des 20sten und 21sten Jahrhunderts in all ihrer erschreckenden Unvollkommenheit.

Passend zum oben beschriebenen Götzenbild gibt es eine Art Kult- und Glaubensgemeinschaft, die das Mantra „Der freie Markt regelt es automatisch optimal für alle Beteiligten“ zu Ihrem Bekenntnis erhoben hat. Wie in früheren Zeiten einer flachen Erde, über die der aufgeklärte Mensch von heute den Kopf schüttelt,  frönt ein maßgeblicher Teil der gesellschaftlichen Akteure trotz täglichem Gegenbeweis einer durch die Wirklichkeit längst widerlegten Weltanschauung.

Mit der Basisausstattung eines 2 Variablen-Verstandes lebt es sich so am entspanntesten. Stimmt die Prognose nicht mit der Wirklichkeit überein, lässt sich doch in aller Regel ein Schuldiger identifizieren … und feststellen, dass ich als Einzelner sowieso nichts ändern kann.

So, das musste mal raus…
Meine geneigten Leser finden meine Worte möglicherweise doch etwas übertrieben? Lehnen Sie sich zurück, und geniessen Sie hier das märchenhafte Szenario, medial leicht verständlich aufbereitet, nochmals in einfachen Bildern (Quelle: Utopia.de):


Story of Stuff – German from UTOPIA AG on Vimeo.